Whisky trifft Geschichte: Ein Besuch bei der Nyborg Distillery in Dänemark
Dänemark ist nicht unbedingt das erste Land, das einem in den Sinn kommt, wenn man an Whisky denkt – aber genau das macht einen Besuch bei der Nyborg Distillery zu einem so überraschenden Erlebnis. Mitten in einem alten, liebevoll restaurierten Eisenbahngebäude entsteht hier seit 2017 in Handarbeit dänischer Whisky mit Charakter, Tiefe und einer bemerkenswerten Geschichte.
Vom Bier zur Brennkunst
Die Wurzeln von Nyborg reichen bis ins Jahr 1996 zurück, als alles mit einer Brauerei begann. Erst wurden Bier und Softdrinks produziert, bis 2009 die ersten Destillate entstanden – Whisky und Gin. Acht Jahre später erfolgte der Umzug der Brennerei in die heutige, historische Location: ein ehemaliges Zug-Depot, das mitten in der kleinen Hafenstadt Nyborg auf der Insel Fünen liegt. Ich hatte wirklich nicht erwartet, hier ein Setup zu finden, dass an Eleganz und Niveau mit einigen schottischen Destillerien mithalten kann.
Ein Blick in den Shop – und ins Herz der Brennerei
Im Besucherzentrum erwarten einen nicht nur prämierte Produkte, sondern auch eine unglaubliche Vielfalt. Die Standard-Whiskys – wie der „Isle of Fionia – Little Isle“, ein Danish Oak Whisky und ein getorfter Vertreter – bilden das Herzstück der Produktion. Daneben gibt es limitierte Abfüllungen, die in edlen Boxen präsentiert werden. Eine 12-jährige Abfüllung wurde sogar als „Best Whisky of the Year“ ausgezeichnet.
In einer besonderen Ecke lagern hinter Gittern jeweils eine Flasche der limitierten Abfüllung. Ein Archiv der eigenen Geschichte, tropfenweise konserviert.
100 % Dänemark – vom Fass bis zum Stuhl
Ein Highlight der Brennerei ist der Danish Oak Whisky. Hierfür werden Eichenfässer verwendet, die aus dänischem Holz gefertigt wurden. Und es wird noch besser: Aus demselben Holz werden auch die Stühle für das Restaurant gefertigt. So sitzt man buchstäblich auf dem gleichen Baum, auf dem der Whisky reifte.
Ein Ort voller Überraschungen
Der eigentliche Star der Führung ist jedoch das Gebäude selbst. Ein originaler Zug aus den 1940ern steht in der Halle, zwischen alten Gleisen und hunderten Fässern. Der einstige Ort für Zugreparaturen wurde zum Ort für flüssige Handwerkskunst – ohne dabei seinen industriellen Charme zu verlieren.
Tradition trifft Technik
Die Produktion erfolgt in zwei kupfernen Pot Stills, ergänzt durch eine kleinere Anlage aus Brauerei-Tagen. Obwohl auch Kolonnen vorhanden sind, wird weitestgehend traditionell destilliert – für ein möglichst komplexes Destillat. Die Fermentation dauert rund fünf Tage, gekühlt wird nicht. Verwendet wird ausschließlich Bio-Gerste aus lokaler Produktion.
Klein, fein, unabhängig
Der Betrieb wird von einem kleinen Team gestemmt – zwei Personen in der Produktion, unterstützt durch eine Teilzeitkraft in der Buchhaltung. Trotz überschaubarer Mengen von 20.000 bis 30.000 Litern pro Jahr legt Nyborg höchsten Wert auf Qualität, Nachhaltigkeit und Handarbeit.
Fässer, soweit das Auge reicht
Ein weiteres Juwel ist das Fasslager. Neben amerikanischen Eichenfässern kommen auch Portweinfässer sowie eigens in Portugal hergestellte Fässer aus dänischer Eiche zum Einsatz. Diese verleihen dem Whisky eine frische, kraftvolle Note – mit ausgeprägten Tanninen und Charakter.
Fazit: Ein Geheimtipp für Whisky-Fans
Ein Besuch bei der Nyborg Distillery ist mehr als eine Tour – es ist eine Reise in die Welt handwerklicher Leidenschaft. Zwischen alten Zügen, kupfernen Brennblasen und dem Duft von Eiche und Gerste erlebt man Whiskyproduktion auf dänisch – überraschend, bodenständig und absolut faszinierend.
Wer die Gelegenheit hat, sollte sich dieses Erlebnis nicht entgehen lassen. Und wer weiß – vielleicht ist Dänemark ja doch das nächste große Ding in der Whisky-Welt. Mich hat dieses kleine Land mit seinen sympathischen und authentischen Menschen jedenfalls absolut überzeugt.