High Coast Brennerei Führung

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High Coast Single Malt – Schwedischer Whisky mit hohen Ansprüchen

Mitten in der rauen Schönheit der Ostküste Schwedens. gute 470 Kilometer nördlich von Stockholm, liegt eine außergewöhnliche Whisky-Destillerie. Sie beeindruckt nicht nur durch ihre feinen Tropfen, sondern auch durch ihre spannende Geschichte und Philosophie. Die High Coast Distillery – ehemals bekannt als Box Distillery. Ich hatte das große Glück am High Coast Whisky Festival teilnehmen zu dürfen auf die Einladung von Florian Weiss (Sansibar Whisky). Danke an dieser Stelle! Die durchaus nerdige Deepdive Führung durch die Destillerie habe ich zu einem Video verarbeitet und hier noch einmal als Blog Beitrag für Euch zusammengefasst. Viel Spaß!

Der Ursprung: Von der Sägemühle zur Brennerei

Die Geschichte beginnt im 19. Jahrhundert, als in der Region noch Holz das wirtschaftliche Rückgrat bildete. In der Umgebung des Flusses standen über 80 Dampfsägemühlen, darunter auch eine auf dem Gelände der heutigen Brennerei. Diese Mühle fertigte Holzteile für Exportkisten nach England – auf Schwedisch „Låda“, was den englischen Namen „Box“ inspirierte. Nachdem die Mühle 1895 abbrannte, wurde ein Wasserkraftwerk gebaut, das den Namen „Box“ beibehielt.

In den 1990er Jahren entdeckte ein Künstler das alte Kraftwerk und renovierte es für Atelier- und Galeriearbeiten – der Name „Box Power Station“ blieb. Als 2010 die ersten Whiskyfässer befüllt wurden, war klar: Der Name Box lebt weiter – bis zur Umbenennung in High Coast Distillery im Jahr 2018, um die Verbindung zur größeren Region zu stärken. Grund hierfür war ein Rechtsstreit mit dem schottischen Unternehmen Compass Box, das wohl eine Verwechslungsgefahr der Markennamen fürchtete.

Wasserqualität: Zu gut für Whisky?

Das verwendete Wasser stammt aus einem nahegelegenen See und entspricht der hohen schwedischen Trinkwasserqualität – so rein, dass es fast zu „sauber“ für den Gärprozess ist. Da Mineralien wie Magnesium fehlen, müssen diese bei Bedarf ergänzt werden, um optimale Bedingungen für die Hefe zu schaffen. Dennoch ist das Team froh über die exzellente Wasserqualität – besser als viele abgefüllte Wässer weltweit.

Keine eigene Mälzerei – aus gutem Grund

Obwohl eine eigene Mälzerei zunächst geplant war, entschied man sich bewusst dagegen: Zu hoher Platzbedarf, zu viel Aufwand und vor allem: mangelnde Konsistenz bei kleinen Chargen. Stattdessen bezieht High Coast ihr Malz nach strengen Spezifikationen – etwa 25 Tonnen alle zehn Tage – hauptsächlich aus Südschweden.

Die Kunst des Maischens

Beim Maischen achtet man auf höchste Präzision. Mit 1,25 Tonnen Malz und 5.000 Litern Wasser wird bei genau 64–64,5 °C gestartet. Es folgen zwei weitere Wasserschritte, wobei das dritte Wasser recycelt wird. Ziel ist eine klare, fruchtige Würze (in Schottland „wort“ genannt) – ein Ansatz, der an japanische Methoden erinnert.

Fermentation mit Gefühl

Die Gärung dauert bei High Coast rund 82,5 Stunden – deutlich länger als der Standard. Dadurch entstehen besonders fruchtige Aromen wie Limette und Zitrus, während weniger CO₂ gebildet wird – ein Vorteil bei der Destillation, da auf Antischaummittel verzichtet wird.

Zudem verfügen alle Washbacks über ein Kühlsystem zur präzisen Temperatursteuerung – und bestehen vollständig aus Edelstahl. Warum? Weil Holz zwar romantisch ist, aber weniger Kontrolle zulässt. Edelstahl bietet Hygiene und Reproduzierbarkeit – ganz im Sinne des Head Distillers, der sich selbst augenzwinkernd als „grauer Ingenieur“ bezeichnet. Sein Kommentar „In 58 Jahren hat mir niemand vorgeworfen romantisch zu sein“ sorgte für einige Lacher. Roger Melander ist ein echte Unikat. Ein Whisky-Nerd, wie er im Buche steht und zweifelsohne ein Meister seines Fachs.

Die Pot Stills: Technik trifft Tradition

Die Pot Stills der High Coast Distillery wurden vom gleichen Ingenieur entworfen wie jene bei Kilchoman auf Islay. Mit klassischen Zwiebelformen, Boil Balls und steigenden Lyne Arms sorgen sie für hohen Kupferkontakt – und damit einen weichen, eleganten Brand.

Je nach Rezept – unpeated, peated oder organic – variieren die Cut Points beim Brennvorgang. Für fruchtige New Makes wird der Schnitt früher gemacht, bei rauchigen Rezepten entsprechend später, um mehr Torf-Charakter einzufangen.

Fassmanagement: Ein Aromaspiel der Extraklasse

High Coast füllt heute ihre New Make Spirits mit 60 % ABV, bei kleineren Fässern sogar mit nur 56 % – um eine bessere Balance aus Holz- und Spirituoseneinfluss zu erreichen. Besonders spannend ist die Vielfalt der Fassarten:

  • Frische Bourbon-Fässer (u.a. Buffalo Trace, Heaven Hill)

  • Sherry-Seasoned Casks (bevorzugt aus amerikanischer Weißeiche)

  • Schwedische, Ungarische, Amerikanische und Asiatische Eiche

  • Hybrid-Fässer mit z. B. schwedischem Deckel und amerikanischem Körper

  • Exoten wie Rum-Casks aus Jamaika oder rare Quercus mongolica (asiatische Eiche)

Jede Holzart bringt andere Aromen: Vanille & Kokosnuss (amerikanisch), Muskat & trockene Würze (schwedisch), Honig & Nelke (ungarisch), Zedernholz (asiatisch).

Eigene Abfülllinie – 1.000 Bottlings pro Jahr

Ein weiteres Highlight: Die eigene Abfüllanlage. Während viele Destillerien auf externe Abfüller zurückgreifen, kann High Coast auch Kleinstmengen selbst verarbeiten – ideal für private Fässer. Im Schnitt werden rund 1.000 verschiedene Abfüllungen pro Jahr gemacht.

Wenn Du einen High Coast Single Malt probieren möchtest ,empfehle ich dir die Core Range und davon meine beiden Lieblinge, den Hav und Berg. Das ist das aktuelle Kern-Sortiment von High Coast:

  • Älv (Reifung in 1st Fill Bourbon Barrels) – Hellfruchtig, mit reichlich Gartenfrüchten und Vanille
  • Hav: Die Website sagt: „Hav besteht aus 76,82 % aus ungetorftem Whisky und zu 23,18 % aus getorftem Whisky. 66,85 % reiften bis zu 5 Monate in kleinen Fässern aus ungarischer und schwedischer Eiche und wurden dann für durchschnittlich 6,09 Jahre in Bourbonfässer umgefüllt. 30,84 % reiften ausschließlich in Bourbonfässern und 2,67 % wurden in 40-Liter-Fässern aus ungarischer Eiche nachgereift.“ Sein Geschmacksprofil ist somit würziger, als das des Älv.
  • Berg: Die Sherry-Bombe der Core Range. Erste Reifung in First Fill Ex-Bourbon mit einer Nachreifung in Pedro Ximenez („PX“) Sherryfässern (unpeated/ ungetorft).
  • Timmer: Die rauchige Variante von High Coast. 100% Peated Malt gereift in First Fill Ex-Bourbon Barrels.Die genauen Rezepturen aller Whiskys könnt Ihr auf der Website einsehen. Auch Bio-Whisky ist im Portfolio, als Blick in die Zukunft.

Fazit: High Coast steht für Klarheit, Präzision und Charakter

Was High Coast Distillery so besonders macht, ist die Kombination aus technischer Raffinesse, klarer Philosophie und tiefer Wertschätzung für Aromen. Hier wird Whisky für Whiskyliebhaber gemacht. High Coast hat sich dazu verpflichtet ihren Whisky nie unter 46% Vol. abzufüllen und auf jede Form von Kühlfilterung und Farbzugabe zu verzichten. Hier steht nicht die Wirtschaftlichkeit im Vordergrund, sondern der Geschmack. Ein Whisky mit hohen Ansprüchen an sich selbst.

Wer beim Tasting auf Authentizität, Handwerk und neue Aromenwelten Wert legt, findet in Whiskys aus der High Coast Distillery einen ganz besonderen Schatz aus dem Norden Europas.


Neugierig geworden? Bei meinen Whisky Tastings verkosten wir regelmäßig auch spannende Tropfen von High Coast – entdecke sie bei deinem nächsten Tasting-Erlebnis! Schau mal bei den aktuellen Online Whisky Tastings rein!

Bis später!

Euer Leon