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Dänischer Whisky im Aufbruch – Zwischen Tradition und Experimentierfreude

Ein Blick hinter die Kulissen fünf dänischer Whisky-Destillerien

Wer an Whisky denkt, hat vermutlich zuerst Schottland oder Irland im Kopf. Doch abseits der Whisky-Hochburgen entsteht seit einigen Jahren fast still und heimlich eine lebendige und vielfältige Whisky-Szene – in Dänemark. Unser nördlicher Nachbar flog für mich lange unter dem Radar und Stauning war der einzige Whisky, den ich mit Dänemark in Verbindung brachte. Nun hatte ich endlich die Gelegenheit meine Wissenlücken zu füllen. Ich durfte fünf dänische Brennereien besichtigen und deren Vertreter interviewen – was dabei herauskam, ist ein spannendes Porträt einer jungen, kreativen und selbstbewussten Branche, die ihren eigenen Weg geht.


Pioniergeist trifft Familiengeschichte

In der Fary Lochan Distillery spürt man, dass Whisky mehr ist als nur ein Produkt. Die Destillerie wurde 2009 von Jens-Erik Jørgensen gegründet, der leider 2016 verstarb. Die Familie entschied sich, seine Vision weiterzuführen. Heute ist unter anderem Master Brewer John Sørensen tätig, der nicht nur Whisky produziert, sondern auch Führungen anbietet – mit spürbarer Leidenschaft.

Besonders interessant ist der Einsatz von Brennnesseln zur Räucherung des Malzes – eine Idee, die von Jens-Eriks Mutter inspiriert wurde, die früher Brennnesseln beim Räuchern von Käse verwendete. Das Ergebnis? Eine angenehm milde, süßliche Rauchnote, die den Fary-Lochan-Whisky einzigartig macht – und regelmäßig ausverkauft ist.


Schottisches Handwerk, dänischer Mut

Einige dänische Brennereien orientieren sich zu Beginn schottischen Methoden – Fary Lochan ließ sich eigens in Schottland bei der renommierten Kupferschmiede Forsyths kleine Pot Stills bauen. Die Nyborg Destillerie ist mit ihrem Whisky nah an schottischen Single Malts, die mich an Glenmorangie erinnern. Auch das rauchige Malz der Trolden Destillerie stammte zu Beginn noch aus Schottland, doch das wird sich bald ändern. Denn es gibt zwei Aspekte, die den dänischen Whisky auszeichnen: Zum einen die große Experimentierfreude und zum anderen, der Hang zu lokalen Materialen und Methoden.

Auf die Frage, was er ändern würde, wenn er könnte antwortete Thomas Solgaard von Trolden passenderweise „wenn es einfach wäre, würde ich alle Rohstoffe umstellen auf eine dänische Herkunft“. Die Trolden Destillerie mit ihrem Nimbus Single Malt verkörpert hierbei sehr gut die Fusion von Tradition und Innovationsfreude. Sie destilliert auf kleinen Alambic Pot Stills, die auch für das Brennen von Cognac eingesetzt werden. Der Whisky ist somit ein Hybrid aus klassischen, alten Whisky-Herstellungsmethoden und neuen Ideen.

Auch bei den Fässern lässt Trolden der Kreativität freien Lauf: Hier kommen Bier-, Brandy- oder sogar Kaffeefässer zum Einsatz.

Aus Fehlern lernen. Als Trolden etwa erstmals Rum produzieren wollte, wurde durch einen Unfall viel zu viel Melasse verwendet. Das Ergebnis? Unerwartet gut. Ein Zufall, der zu einem neuen Rezept führte – und zu einer Erkenntnis: Fehler führen oft zu Innovationen.


Die Frage nach der Identität

Eines zog sich wie ein roter Faden durch alle Gespräche: Die Suche nach einer eigenen Identität. Während man sich zu Beginn oft an Vorbildern orientierte – insbesondere an schottischem Single Malt – entwickelt sich zunehmend das Bedürfnis, etwas Eigenes zu schaffen.

Bei der Nyborg Distillery ist der Single Malt Scotch Whisky die klare Inspiration und der Whisky hat mich wirklich überrascht. Denn er ist nicht nur nah am Single Malt aus Schottland, sondern auch noch extrem lecker! Der Isle of Fionia Single Malt hat mich bei meinem Besuch besonders begeistert. In Dänemark vereinen sich alle Wege. Tradition und Neues.

„Wir lernen, dass es okay ist, unseren eigenen Weg zu gehen“, sagte einer der Brennmeister. Dabei geht es nicht nur um Geschmack, sondern auch um Haltung: Dänischer Whisky soll nicht bloß eine Kopie sein – er will eine eigene Geschichte erzählen.

In der Thy Distillery wird der regionale Ansatz groß geschrieben. Auf der Farm Brennerei wird von der Saat ins Glas alles selbst gemacht. Es wurden sogar alte Gerstensorten wiederbelebt, um daraus Whisky zu destillieren. Beeindruckend!


Teurer als Scotch – warum eigentlich?

Ein Thema, das immer wieder aufkam, war der Preis. Dänischer Whisky ist meist deutlich teurer als viele schottische Standardabfüllungen. Die Gründe sind nachvollziehbar: kleinere Produktionsmengen, fehlende Skaleneffekte, junge Betriebe ohne große Lagerreserven. Aber auch: handwerkliche Herstellung, regionale Zutaten, viel Handarbeit.

Wie es Thomas Solgaard von Trolden auf den Punkt brachte: „Wenn du unsere Flasche kaufst, kaufst du nicht nur Whisky – du unterstützt ein junges Unternehmen, das den Traum verfolgt, etwas Eigenes aufzubauen.“

Ob der höhere Preise uns Kunden am Schluss das Produkt wert ist, bleibt am Ende jedem selbst überlassen. Ich für meinen Teil, connecte bei Whisky meist vor allem mit dem Herzen und meiner Leidenschaft. Und beides haben die Dänen ordentlich angefeuert.


Dänische vs. deutsche Whisky-Fans

Interessant war auch der Vergleich zwischen dänischen und deutschen Whisky-Fans. Die Beobachtung: Deutsche Besucher zeigen oft eine größere Offenheit für Experimente, sind neugierig auf neue Geschmacksrichtungen – ob Orange-Kakao-Whisky oder Sauerbier-Fassreifung. Dänen hingegen neigen mitunter zu traditionelleren Vorstellungen davon, was Whisky „sein darf“.

Doch auch in Dänemark wächst die Neugier – ebenso wie das Selbstbewusstsein, eigene Wege zu gehen. Und das ist gut so.
Die Zeiten als Stauning, die größte Whisky Brennerei Dänemarks, als einziger Whisky-Produzent in Dänemark galt, sind lange vorbei. Doch auch Stauning kämpft derzeit ums Überleben, seit dem Rückzug Diageos aus dem Unternehmen. Der Rye Whisky von Stauning ist nach wie vor eine echte Entdeckung!


Fazit: Dänemark, das neue Whisky-Terrain

Dänischer Whisky ist nicht nur eine regionale Besonderheit – er ist Ausdruck einer neuen Welle handwerklicher Spirituosen, die offen ist für Innovation und geprägt von Leidenschaft. Zwischen Brennnesselrauch, schottischer Inspiration und skandinavischer Experimentierfreude entsteht hier etwas, das man als Whisky-Fan definitiv im Auge behalten sollte.

Denn eines wurde bei allen Gesprächen klar: Dänemark hat vielleicht noch keine 200-jährige Whisky-Tradition – aber dafür jede Menge Ideen, Mut und Geschmack.

Bis später!

Euer Leon